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A auf dem Balkon, die an ihrem Referat übers Wünschen arbeitet und sich von Büchern nährt, ist unsicher, ob das eine Möglichkeit ist, etwas herauszufinden. Am liebsten würde sie an den Türen klingeln und die Bewohner um Wunschzettel bitten, vielleicht würde sie von dem einen oder anderen aufgefordert einzutreten oder in zwei Tagen wiederzukommen. Aber wahrscheinlich würden die Antworten über Gesundheit und Frieden nicht hinauskommen.

Frieda K bittet A in die schmale Küche. A nimmt auf einem Küchenhocker mit blaugesprengeltem, abwaschbarem Überzug Platz, sieht sich kurz um: ein Resopaltisch, auf dem ein Küchenradio steht, auf den Regalen Geschenke der Enkelkinder aus den Handarbeitsstunden. Frieda K bietet Tee an, holt Schwarzteebeutel aus dem Hängeschrank, setzt den Boiler in Betrieb.
»Wissen Sie, was ich mir als junges Mädchen immer gewünscht habe?«, kichert sie, »eine Kochmaschine, von der niemand weiß. In der Speisekammer so ein Ding, das auf Knopfdruck eingeweckte Pfirsiche, schwarzen Johannisbeersaft oder Semmelknödel ausspuckt!« »Und Pflaumenkuchen und Windbeutel« fügt A hinzu. Und was sie dann mit der freien Zeit angefangen hätte? Sie hätte Feste gefeiert, rauschende Feste. Sie habe schöne, selbstgenähte Kleider besessen. Eines sei aus hellgrüner Seide genäht gewesen, mit abgesetzter Passe, glockigen Ärmeln, es habe ihr ausgezeichnet zu Gesicht gestanden, da sei sie so alt wie A gewesen. Ein anderes mit Spitzenbesatz am Kragen und ausgestelltem Rock, in Weinrot, ihrer Lieblingsfarbe. Sie erinnert sich noch genau und beschreibt die ausgesuchte Außenhaut bis auf den letzten Knopf. Und auf die Feste hätte sie ganz verschiedene Leute eingeladen und sich so selbst immer verwandeln können, fügt A hinzu, die glaubt, Frieda verstanden zu haben. A befürchtet, daß der Abschied nicht unter einer Viertelstunde ausfallen wird, und denkt sich wieder auf den Balkon zurück.


Die Flieger kommen, die Flieger kommen, durchstoßen den Himmel. Der Lärm dringt auf A ein, die die Schulterflügel zusammenzieht. Sie brüllt zurück: Und wer macht die Löcher im Himmel wieder zu?

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